Förder- und Beratungszentren in Rheinland-Pfalz: Analyse und bildungspolitische Stellungnahme des Verbands Sonderpädagogik

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Am 1. Februar 2015 nahmen die beiden ersten regionalen (Singhofen und Pirmasens) und die beiden ersten überregionalen (Förderschwerpunkt Hören in Neuwied und Trier) Förder- und Beratungszentren ihre Arbeit auf. Im Schuljahr 2018/19 existieren 23 Förder- und Beratungszentren (20 regionale sowie drei überregionale).

Förder- und Beratungszentren bestehen (vereinfacht gesagt) jeweils aus einer als Förder- und Beratungszentrum beauftragten Förderschule sowie weiteren kooperierenden Stammschulen für Beratung (Förderschulen anderer Schwerpunkte), die stundenweise Personal für das Zentrum zur Verfügung stellen.

Den Auftrag der Förder- und Beratungszentren beschreibt das Bildungsministerium wie folgt:

„Förder- und Beratungszentren bündeln die sonderpädagogische Fachkompetenz im Zuständigkeitsbereich. Die mitwirkenden Förderschulen regeln in Kooperationsvereinbarungen die fachliche bzw. regionale Verteilung der Aufgaben. Förder- und Beratungszentren koordinieren auch die Elternberatung im Zusammenhang mit der Ausübung des Wahlrechts der Eltern.
Sonderpädagogische Beratung und Unterstützung sind ein nachfrageorientiertes Angebot an die Regelschulen. Dieses bezieht sich insbesondere auf Fragen der angemessenen Berücksichtigung der Auswirkung einer Behinderung auf schulisches Lernen (z.B. zum Nachteilsausgleich) sowie auf Fragen der Umsetzung inklusiven Unterrichts (z.B. zu Differenzierung, Förderplanung, Prävention). Auch Förderschullehrkräfte und pädagogische Fachkräfte, die im Team mit Regelschullehrkräften an Schwerpunktschulen arbeiten, werden bei Bedarf unterstützt.
Die Beratung und Unterstützung erfolgt nachfrage- und bedarfsorientiert und bezogen auf Förderbedürfnisse einzelner Schülerinnen und Schüler. Damit knüpfen Förder- und Beratungszentren an die Fachkonzepte, inhaltlichen Schwerpunkte und Erfahrungen der Integrierten Förderung an und entwickeln diese inhaltlich weiter.“
(https://foerderschule.bildung-rp.de/foerder-und-beratungszentren.html)

Zur Erfüllung der Aufgaben werden die im betreuten Landkreis / der betreuten Stadt zur Verfügung stehenden bisherigen Stunden der integrierten Förderung am Förder- und Beratungszentrum gebündelt und für die Beratung der allgemeinen Schulen eingesetzt. Eine direkte Förderung von Schülerinnen und Schülern durch die Lehrkräfte des Förder- und Beratungszentrums an den Bedarf anmeldenden allgemeinen Schulen ist nicht vorgesehen.

Da eine so weitreichende Entwicklung wie die der Förder- und Beratungszentren, die wir im Rahmen des Anhörungsverfahrens zur Schulgesetznovelle 2014 ausdrücklich befürwortet haben, aus unserer Sicht weder mit kurzen plakativen Stellungnahmen noch im Vorgriff auf die Entwicklungen möglich ist, haben wir die Zeit seit Einführung der ersten Förder- und Beratungszentren für zahlreiche Gespräche und Erfahrungsaustausch genutzt. Neben Gesprächsrunden mit Leiterinnen und Leitern von Förder- und Beratungszentren umfasste dies auch Gespräche mit Verantwortlichen des zuständigen Bildungsministeriums.

Die nachfolgende Stellungnahme ist als Ergebnis dieses Prozesses zu sehen. Mit ihr möchten wir zugleich Anregungen für perspektivische Entwicklungen geben und unsere bildungspolitische Position zu diesem Themenkomplex darlegen.

 

Welche Chancen bieten Förder- und Beratungszentren im Rahmen des derzeitigen Konzepts?

Die große Möglichkeit, die Förder- und Beratungszentren bei entsprechender konzeptioneller Ausgestaltung bieten können, liegt vor allem in der gebündelten Bereitstellung von Ressourcen für alle Förderschwerpunkte. Förder- und Beratungszentren können für die allgemein- und perspektivisch auch berufsbildenden Schulen eine Versorgung „aus einer Hand“ gewährleisten, bei der die Gesamtübersicht über Ressourcen und Fachlichkeit an einer Stelle verbleibt und regional gebündelt wird. Bei längerfristigem Bestehen der Zentren müssen diese mit entsprechender konzeptioneller Ausgestaltung eine gute Anlauf- / Koordinationsstelle zur Vernetzung der Schulen, aber auch zur Vernetzung mit außerschulischen und ergänzenden Institutionen werden. Daher ist auf eine Berücksichtigung regionaler Besonderheiten innerhalb des Konzepts unverzichtbar.

Ferner sehen wir folgende Chancen, die sich aus dem Konzept der Förder- und Beratungszentren ergeben:

 

Frühzeitige Einschätzung von Problemlagen

Problemlagen werden von Sonderpädagoginnen und –pädagogen frühzeitig eingeschätzt, bevor „das große Besteck der Diagnostik ausgepackt“ wird. Gerade in Fällen, bei denen von Nicht-Sonderpädagogen schwer abgeschätzt werden kann, ob Entwicklungsverzögerungen noch im normalen Streubereich liegen, ist das hilfreich. Auch im Zusammenhang mit Fluchterfahrungen können Sonderpädagoginnen und –pädagogen so niederschwellig zwischen sonderpädagogischen Problemlagen und Problemen differenzieren, die sich aus den Hintergründen der Fluchterfahrung ergeben (Traumatisierung, Erwerb der deutschen Sprache, schulische Vorbildung etc.).

 

Präventive Wirkung der Beratung

Insbesondere bei leichteren Formen von bzw. bei beginnenden Lern- oder Verhaltensschwierigkeiten können Beratungen, vor allem einzelfallbezogene, zu präventiven Fördermaßnahmen eine Manifestation und Ausweitung der Schwierigkeiten möglicherweise verhindern. Förder- und Beratungszentren sind damit insbesondere geeignet, allgemeine Schulen bei Herausforderungen zu unterstützen, die noch nicht mit einem manifesten sonderpädagogischen Förderbedarf belegt sind. Das bestätigen auch die Erfahrungen der Beraterinnen und Berater für Autismus.

 

Bewusstseinsbildung und (bedingter) Kompetenztransfer

Die Beratung der Lehrkräfte an allgemeinen Schulen kann das Bewusstsein für die Belange beeinträchtigter Schülerinnen und Schüler schärfen und so eine indirekte Auswirkung auf die Entwicklung des Schulsystems haben. Gerade bei Fragen, die sich auf Classroom-Management oder auf Fragen zu spezifischen Beeinträchtigungen (z.B.: Wie kann ich den Klassenraum so strukturieren, dass auch ein Kind mit ADS sich gut zurecht findet?), kann die Beratung einen Wissens- und Kompetenztransfer mit fortbildendem Charakter haben. Auf eine Beschränktheit der Möglichkeiten dieses Kompetenztransfers ist jedoch dringend hinzuweisen (siehe unten).

 

Welche Erfahrungen in der praktischen Umsetzung des Konzepts „Förder- und Beratungszentrum“ liegen vor?

Da eine Evaluation der Arbeit der Förder- und Beratungszentren bisher nur eingeschränkt durchgeführt bzw. veröffentlicht wurde und auch keine wissenschaftliche Evaluation geplant zu sein scheint, müssen wir uns in der Beurteilung der praktischen Umsetzung auf die Vielzahl persönlicher Gespräche mit Beraterinnen und Beratern sowie Leiterinnen und Leiter etlicher Förder- und Beratungszentren stützen.

 

Positive Erfahrungen

Ganz grundsätzlich ist zu betonen, dass es viele positive Erfahrungen innerhalb des Konzepts zu geben scheint, an denen bei weiteren Überlegungen zu Verbesserungen angeknüpft werden kann.

Viele Beraterinnen und Berater, mit denen wir sprechen konnten, erleben diese Arbeit als eine Bereicherung, berichten von Beratungserfolgen und von einer guten Zusammenarbeit mit den antragstellenden Kolleginnen und Kollegen an den allgemeinen Schulen. Letztere würden, so die Wahrnehmung einzelner Kolleginnen und Kollegen, die Beratungsangebote als Entlastung erleben.

Ferner berichten einzelne Schulstandorte von einer gut funktionierenden Vernetzung mit anderen Fachdiensten. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass diese nicht durch das Landeskonzept institutionalisiert, sondern personengebunden auf das Engagement der Kolleginnen und Kollegen zurückzuführen ist.

 

Problematische Erfahrungen

Neben diesen positiven Aspekten treten auch problematische Punkte zutage, die hier deutlich benannt werden müssen, um einen konstruktiven Prozess für die Zukunft zu ermöglichen.

Insbesondere zwei Aspekte erscheinen hoch problematisch. Erstens wurde uns berichtet, dass von einzelnen Leitungen an Förder- und Beratungszentren ein Druck erlebt und an die Kolleginnen und Kollegen weitergegeben wird, möglichst die Meldung für Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs zu verhindern, indem die Beratung mit allen Mitteln von dieser Richtung weggelenkt wird. Eine solch einseitige Ausrichtung einer pädagogischen Beratung dient nicht der bestmöglichen Unterstützung der Schülerinnen und Schüler, sondern lediglich der statistischen Auswertung und verhindert teilweise effektive Hilfemaßnahmen. Zweitens stößt die Beratung dort an ihre Grenzen, wo an derselben Schule immer wieder die gleichen Inhalte vermittelt werden, die Lösungswege auf Widerstände in Kollegium oder Schulleitung stoßen oder eine Systemberatung notwendig wäre. Hier werden systemische Widerstände deutlich, die nicht durch die Beraterinnen und Berater des FBZ aufgefangen werden können, sondern einer Begleitung durch die ADD oder der Beraterinnen und Berater für Schulentwicklung bedürfen.

Zudem erscheinen uns die folgenden Punkte problematisch:

  1. Die Ausbildung im Bereich Beratung für die eingesetzten Kolleginnen und Kollegen ist nicht umfassend bzw. zeitlich umfangreich genug. Die Beratungstätigkeit ist ein komplexes Gebiet, auf dem teilweise über Jahre andauernde Ausbildungsgänge angeboten und nachgefragt werden. Schnellkurse von zwei bis drei Tagen halten wir, auch aufgrund der schwierigen Beratungsgegenstände im Förder- und Beratungszentrum für nicht angebracht.
  2. Die Doppelfunktion als Beraterin / Berater und Klassenleitung kann man nicht vollumfänglich zufriedenstellend erfüllen, wenn die Beratertätigkeit einen bestimmten Umfang überschreitet. Kolleginnen und Kollegen berichten von teilweise chaotischen Zuständen in Klassen, deren Klassenleitung mit zu vielen Stunden im Beratungsteam eingebunden ist.
  3. Aus Berichten von Kolleginnen und Kollegen geht hervor, dass der tatsächliche Zeitaufwand einer Beratungseinheit von 45 Minuten inklusive Vorbereitung, Terminvereinbarung, Dokumentation, Evaluation sowie insbesondere Fahrtzeiten für An- / Abreise bei deutlich über den angesetzten 90 Minuten liegt, sodass von vielen Stunden nicht angerechneter Mehrarbeit auszugehen ist.
  4. Aus der Erfahrung einzelner Förder- und Beratungszentren geht hervor, dass die Anzahl der zur Verfügung stehenden Wochenstunden nicht ausreicht, um alle Anfragen zeitnah bearbeiten zu können. Dies führt zu Überstunden, die dann gegen Ende des Schuljahres ausgeglichen werden, sodass es dann wiederum einen kumulierten Engpass an Beratungsstunden für möglicherweise gravierende Fälle gibt.
  5. Als eine Schwierigkeit wird vereinzelt genannt, dass die Förder- und Beratungszentren keine Liste mit Kontaktdaten der zu ihrem Einzugsgebiet gehörenden Schulen zur Verfügung gestellt bekämen, um diese über die Beratungsangebote und Vorgehensweise zu informieren.
  6. Die Leitung eines Förder- und Beratungszentrums kann mit den vorhandenen Anrechnungsstunden einer Schulleitung nicht bewältigt werden.
  7. Die dezentrale Lage der überregionalen Förder- und Beratungszentren für die Schwerpunkte „Hören und Kommunikation“ sowie „Sehen“ gestaltet sich problematisch, wobei auch wir keine Patentlösung für diese Problematik erkennen können.

 

Welche Probleme beinhaltet das derzeitige Konzept der Förder- und Beratungszentren und welche Handlungsnotwendigkeiten leiten sich aus ihnen ab?

Auf Basis unserer bisherigen Auseinandersetzung mit der derzeitigen Konzeption der Förder- und Beratungszentren in Rheinland-Pfalz ergeben sich verschiedene Schwierigkeiten, die wir hier zusammen mit Überlegungen zu möglichen Handlungsnotwendigkeiten umreißen:

 

Präventive Fördermöglichkeiten (-> IFÖ) trotz FBZ erhalten!

Das derzeitige Konzept der Förder- und Beratungszentren sieht vor, dass die Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen die anfragenden allgemeinen Schulen lediglich beratend unterstützen. Gleichzeitig wird in Landkreisen mit einem Förder- und Beratungszentrum die bisherige „Integrierte Förderung“ (IFÖ) quasi abgeschafft, indem die Deputatsstunden der IFÖ in Beraterstunden für das Förder- und Beratungszentrum umgewandelt werden. Verständlich ist das Ansinnen die bisher von allgemeinen Schulen nicht immer als transparent erlebte Zuweisung an IFÖ-Stunden durch die zuständige Stammschule umzustrukturieren und mittels transparenter und zentraler Antragsstellung bei den Förder- und Beratungszentren zu optimieren. Aus fachlicher Sicht wird hier aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

Es gibt Fälle von Schülerinnen und Schülern mit leichteren und/oder nicht persistierenden Problemlagen, die im Sinne einer sekundären Prävention spezialisierter Unterstützungsmaßnahmen durch Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen bedürfen. Dieser Unterstützungsbedarf geht oftmals über die Möglichkeiten der reinen Binnendifferenzierung durch Lehrkräfte der allgemeinen Schulen hinaus. Die ersatzlose Streichung der integrierten Förderung ist somit nicht zielführend. Die Durchführung konkreter Fördermaßnahmen muss Bestandteil des Konzepts der Förder- und Beratungszentren sein.

Zudem bedeutet präventive Förderung, wenn sie sinnvoll umgesetzt werden soll, eine Einbettung in das Schulkonzept. Dies wiederum erfordert eine verlässliche personelle sonderpädagogische Ausstattung. Geschehen könnte dies durch eine, an Vorlage eines Präventionsprogramms gebundene, dauerhafte Zuweisung präventiver Förderstunden durch das Förder- und Beratungszentrum an die einzelne Schule.

 

Personalausstattung bedarfsgerecht gestalten!

Aus unserer Sicht muss die Zuweisung des Budgets an Beratungsstunden / -personal unabhängig von den Stunden aus dem Programm „Integrierte Förderung“ erfolgen.

 

Kompetenztransfer durch Beratung darf nicht überschätzt werden!

Der aktuell reine Beratungsauftrag überschätzt die tatsächlich gegebenen Möglichkeiten des Kompetenztransfers deutlich. Weiter oben haben wir bereits einzelne Bereiche aufgeführt, in denen Beratungsangebote zu einem Kompetenztransfer führen können. Diese positiven Erfahrungen aber auch auf komplexere Problemlagen zu generalisieren führt zu weit. Wollte man in diesen Bereichen die Lehrkräfte der allgemeinen Schule insgesamt zur Durchführung von Fördermaßnahmen befähigen, würde dies grundlegende Fortbildungen und Hospitationsmöglichkeiten in Fördersituationen erfordern. Dies erscheint uns derzeit jedoch nicht im Konzept der Förder- und Beratungszentren abgedeckt zu sein.

 

Vernetzung mit anderen Fach- und Beratungsdiensten stärken und transparenter gestalten!

Eine Schwierigkeit für Ratsuchende und für die Leitung des Förder- und Beratungszentrums kann darin bestehen, dass verschiedene Beratungsfelder institutionell voneinander getrennt sind: Die Beratung Autismus ist bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, die Beratung Inklusion beim Pädagogischen Landesinstitut angesiedelt, während gleichzeitig das Förder- und Beratungszentrum eine fallbezogene sonderpädagogische Beratung bietet, die sich im Spannungsfeld zwischen Fachberatung und Fallberatung in sonderpädagogischen Problemlagen bewegt. Daneben existieren parallel Beratungsangebote der Jugendhilfe und des schulpsychologischen Dienstes (obgleich einzelne FBZ im Rahmen der Möglichkeiten erfolgreich mit diesen Partnern zusammenarbeiten). Alle diese Ansprechpartner muss die allgemeine Schule kennen und selber auswählen, wer das geeignete Unterstützungsangebot bietet.

Sinnvoll wäre es aus unserer Sicht, wenn eine Vernetzung zwischen FBZ, Beratung Autismus, Beraterinnen und Beratern für Inklusion, der Schulpsychologie sowie der Jugend- und Sozialhilfe ausgebaut würde. Die Beratungs- und Informationsstrukturen sind derzeit für die Praktiker noch nicht ausreichend transparent, um die nötige Effektivität zu erreichen.

 

Doppelrolle Beraterin/Berater und Klassenleitung vermeiden!

Es gibt keine verbindliche Regelung, mit welchem Stundendeputat Kolleginnen und Kollegen im Bereich Förder- und Beratungszentrum arbeiten und mit welchem Stundendeputat noch unterrichtet wird. Hier finden sich die verschiedensten Varianten, auch wenn von Schulleitungen oftmals eine 50:50-Aufteilung des Deputats präferiert wird. Dies jedoch führt dazu, dass Beraterinnen und Berater teilweise noch eine Klassenleitung inne haben, was aus der Beobachtung der Auswirkungen auf Klassenklima etc. nicht zielführend ist. Aus unserer Sicht muss klar sein, dass die Arbeit als Beraterin / Berater eine Verantwortung birgt, die nur unter spezifischen Bedingungen sinnvoll mit der Verantwortung einer Klassenleitung kombiniert werden kann. Zielführender sowohl für die Beratungsqualität als auch die Arbeitszufriedenheit der Kolleginnen und Kollegen wäre es, wenn die Kolleginnen und Kollegen sich entweder mit überwiegendem Teil des Deputats auf die Beratung konzentrieren können und ggf. noch wenige Stunden unterrichten, um die Anbindung an den Unterrichtsalltag nicht vollständig zu verlieren, oder aber den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf eine Klassenleitung richten und nur in geringem Umfang im FBZ eingesetzt werden.

 

Passung der Förderschwerpunkte in der Beratung sicherstellen!

Schwierig ist es, sicherzustellen, dass pro Förderschwerpunkt ausreichend Beraterinnen und Berater fest zur Verfügung stehen. Die stundenweise Unterstützung durch die sogenannten Stammschulen ist in diesem Kontext organisatorisch eher schwierig hinsichtlich des flexiblen Zugriffs durch das Förder- und Beratungszentrum. Gleichzeitig benötigt zum Handeln befähigende Beratung theoretische und praktische Kenntnisse in dem Förderschwerpunkt, in dem die Beratung stattfindet. Daher ist es nicht zielführend, als Beraterin oder Berater in einem Förderschwerpunkt zu beraten, in dem man weder über Ausbildung noch über Berufspraxis verfügt.

 

Inhaltliche, organisatorische und dienstrechtliche Probleme schnellstmöglich durch die Erstellung eines schlüssigen Gesamtkonzepts beheben!

Den Schulen fehlt es an einem inhaltlichen Grundkonzept, einheitlichen Abläufen im Fallmanagement sowie standardisierten, juristisch sicheren Formularen, die einerseits Handlungssicherheit bieten und andererseits Spielraum für regionale Spezifika lassen. Darüber hinaus wäre eine teilweise Standardisierung des Beratungsprozesses und der Dokumentation zur Vereinfachung der Arbeitsabläufe in Erwägung zu ziehen. Wir sind nicht der Auffassung, dass dies sinnvoll durch eine spätere Zusammenführung und Angleichung der einzelnen erarbeiteten Konzepte gelingen kann. Den Förder- und Beratungszentren müssen im Vorfeld alle benötigten Formulare sowie ein Organigramm für alle im Förder- und Beratungszentrum ablaufenden Prozesse zur Verfügung gestellt werden. Hierzu gehört auch die Ausarbeitung einheitlicher Qualitätsstandards für die Beratung in den einzelnen Förderschwerpunkten.

In diesem Zusammenhang nehmen viele Förder- und Beratungszentren für sich eine Unsicherheit wahr, die zu dem Gefühl führt, administrativ im Stich gelassen zu werden. Das bisherige Vorgehen drückt keine Steuerung mit Individualisierungsmöglichkeiten aus, sondern lässt Koordination und Handlungssicherheit vermissen. Je länger mit konzeptionellen Klärungen gewartet wird, desto weiter driften die verschiedenen Arbeitsweisen auseinander, wovor wir eindringlich warnen möchten.

Darüber hinaus gibt es Fragen, die zumindest an einzelnen Förder- und Beratungszentren nicht vollständig geklärt sind. Dies sind zum Beispiel die Frage nach der Versicherung des Privat-KFZ bei Beratungseinsätzen sowie nach der Verbuchung und Dokumentation von Beratungszeit, Rüstzeit und Fahrtzeiten. Zudem erscheint der Ansatz von 90 Minuten Gesamtarbeitszeit bei 45 Minuten Beratung nicht ausreichend. In der Praxis wird teilweise von Beratungseinsätzen berichtet, die inklusive Vor- und Nachbereitung mehr als 90 Minuten Arbeitszeit bei 45 Minuten Beratungszeit in Anspruch nehmen.

Des weiteren müssen die Förder- und Beratungszentren die Möglichkeit haben, alle antragsberechtigten Schulen über die Angebote und Verfahrensweisen zu informieren. Hierfür müssen von der Schulverwaltung stets aktuelle Kontaktlisten aller antragsberechtigten Schulen im Zuständigkeitsbereich eine Förder- und Beratungszentrums digital zur Verfügung gestellt werden.

Insgesamt zeigen die Entwicklungen, dass die Säule der Beratung als Aufgabenfeld einer Verankerung in einer Verwaltungsvorschrift bedarf ebenso wie entsprechender Aufgabenbeschreibungen und dienstlicher Regelungen in einer, generell dringend nötigen, neugefassten Dienstordnung.

 

Leitung der Förder- und Beratungszentren stärken – auch durch Ressourcen!

Auch für die Schulleitungen an Förder- und Beratungszentren ergeben sich konzeptionell Schwierigkeiten.

Schwierig ist vor allem, dass das Förder- und Beratungszentrum kein Angebot aus einer Hand ist, da mit weiteren Stammschulen kooperiert werden muss. Dies betrifft auch die Personalführung, da stundenweise auf Beraterinnen und Berater zugegriffen werden muss, die aber von einer anderen Schulleitung (Stammschule) geführt werden. Für die Stammschulen ergibt sich wiederum das Problem, dass sie zwar Stunden bereit halten müssen, aber nicht planen können, ob und wann diese benötigt werden, da der Einsatz nur bei Anfragen der entsprechenden Förderschwerpunkte der Stammschule erfolgt. So erfordert auch diese Koordinations- und Kooperationstätigkeit konzeptionelle Vorgaben, die derzeit fehlen.

Ferner ist die Arbeitsbelastung für die Leitung immens, da die normalen Anrechnungsstunden für die mit dem Förder- und Beratungszentrum verbundenen Aufgaben nicht ausreichen. Zudem ist keine eigene Funktionsstelle (mit entsprechender Besoldung) in der erweiterten Schulleitung für die Leitung der Abteilung Förder- und Beratungszentrum vorgesehen. Eine solche halten wir jedoch für nötig.

 

Beratungskompetenz im Vorfeld stärken!

Wir begrüßen die bisherigen Bemühungen zur Fortbildung der Beraterinnen und Berater ebenso, wie die Möglichkeiten der Netzwerktreffen und der Supervision. Dennoch müssen diese Angebote seitens des PL weiter ausgeweitet und intensiviert werden. Hier würden wir einen der Tätigkeit im FBZ vorgeschalteten Qualifizierungslehrgang – in Anlehnung an die Qualifizierungsmaßnahmen der im PL bestehenden Beratergruppen – für sinnvoll erachten.

 

Verbleibsquoten nicht als Qualitätsindikator verwenden!

Verbleibsquoten, also der Anteil der Beratungsfälle, in denen anschließend keine Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs beantragt wird, ist kein valider Indikator für Erfolg oder gar Qualität der Beratung. Wird dieser Indikator dennoch als Evaluationsgrundlage genutzt, so führt dies zu fatalen Entwicklungen durch erlebten Druck bei den Beraterinnen und Beratern. Wir fordern daher eindringlich, auf diesen Indikator zu verzichten.

 

Wissenschaftliche Evaluation beauftragen und Ergebnisse nutzen!

Wir halten eine gründliche wissenschaftliche Evaluation für zwingend notwendig. Diese muss zweigleisig geschehen: Sowohl anhand vorab entwickelter valider und messbarer Qualitätsindikatoren als auch mit offen akteurszentrierten Zugängen.

 

Fazit

Die Einführung der Förder- und Beratungszentren ist ein bildungspolitisches Projekt von großer Tragweite. Deshalb muss trotz aller struktureller Überlegungen der Fokus zu allererst auf einer pädagogischen Grundhaltung liegen, die nicht den „Fall“, sondern das Wohlergehen und die Bildung junger Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Aus diesem Grund münden die oben genannten Aspekte in der Forderung nach einem klaren Leitkonzept. Dieses muss die oben adressierten Chancen nutzen sowie die vorhandenen Probleme ernst nehmen und zukunftsorientiert bearbeiten.